Der Kleine ist jetzt vier, ja eigentlich schon fast fünf. Wie die Zeit vergeht und er kann immer noch nicht Fahrrad fahren. Seit Wochen schon (und in Wirklichkeit schon letztes Jahr) habe ich mir den Kopf zermartert: „Jetzt muss er endlich Fahrrad fahren lernen!“
Immerhin „ALLE“ können mit vier schon Fahrrad fahren oder nicht?
Und dann kam endlich das lang ersehnte neue Fahrrad. Und was passierte? Das Kind stieg auf und fuhr los, wie wenn es schon gemeinsam mit Gehen gleich auch noch Fahrradfahren gelernt hätte.
Da waren also zwei ganz große Erkenntnisse für mich an diesem Tag, als mein Sohn aufs Fahrrad stieg und einfach fahren konnte:
Sorgen sind nicht die Wirklichkeit
Die eigenen Gedanken spielen einem oft einen Streich. Sie sind nicht immer die Wahrheit.
Alle „Sorgen“ bezüglich Fahrradfahren waren einfach umsonst, nichts davon war wahr. Kinder lernen schon was sie lernen müssen, das gilt nicht nur fürs auf den Bauchrollen, Sitzen, Stehen, Gehen, also in der ersten Zeit, in der man sich besonders viele Gedanken macht. Das gilt auch noch viel später. Wenn sie Dinge lernen, wie Konflikte lösen oder eben Fahrrad fahren. Manches werden sie auch noch mit dreißig einfach erst lernen müssen, dann tun sie es eben mit dreißig.
Alles ist irgendwie auf eine ganz wunderbare Weise in den Kids angelegt und wird sich dann entfalten, wenn es so weit ist.
„Man muss den Dingen die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen,die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann, alles ist austragen – und dann gebären….“
Das Leben ist ein Wunder und wir sind Mittendrinnen
Die zweite Erkenntnis, die ich an diesem Tag gewonnen habe: Kinder sind einfach so wunderbar, echte Wunder eben.
All die kleinen Problemchen, die man im Alltag so hat, die Sorgen, dass die Kinder vielleicht etwas nicht lernen werden, die Kinder nicht hören, selbst wenn man es zum zwanzigsten Mal sagt, die vielen kleinen Ärgernisse, der Stress, den man in der Früh hat, das alles „verstellt“ einfach nur die Sicht. Aber manchmal sieht man auf einmal das große Ganze, dann ist die Sicht frei. Die Sicht auf das Wunder, das vor einem liegt.
Das Wunder des Lebens und das Wunder des Kinderhabens, auf das kindliche Lebendigsein, das so sehr ansteckt.
Wie sie da so fahren auf ihren Rädern und so kleine fertige Menschen sind, mit all ihren Fähigkeiten, mit der Freunde an ihrem Können, am Leben an sich, das ist es doch, was das Leben mit Kindern lebenswert macht.
Und so wie unsere Kinder kleine Wunder sind, so ist es das ganze Leben um uns herum und wir dürfen jeden Tag aufs Neue verblüfft sein: Vom Rauschen der Blätter, von den ersten Sonnenstrahlen des Tages, vom Bienensummen, vom warmen Frühlingsregen, selbst von der Geschäftigkeit der Stadt, von allem und unserem Sein an sich.
Schauen wir uns öfter um, auf die Welt um uns herum. Es gibt so viel zu entdecken, durch unsere eigenen „Kinderaugen“, wie wenn wir alles voller Wunder zum ersten Mal sehen würden. Erlauben wir uns selbst neugierig zu bleiben, auf die Details, die kleinen Dinge. Das ist das, was man in der Achtsamkeit „Anfängergeist“ nennt, wenn alles frisch ist, wie neu und man die Herrlichkeit jedes einzelnen Moments ganz klar erkennt.
„If you’re not amazed, you’re not paying attention.“ sagt Rick Hanson und da hat er verdammt recht!
Alles Liebe,
Birgit
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