Was in Scheidungskindern vorgeht und wie wir ihnen durch die Trennung helfen können

Was in Scheidungskindern vorgeht und wie wir ihnen durch die Trennung helfen können - Scheidung - Trennung  - Kinder - Folgen - Fräulein im Glück der nachhaltige Mamablog

 

Ich habe ein Scheidungskind. Mein älterer Sohn lebt nicht mit Papa und Mama unter einem Dach. Er hat zwei Zuhause.

Ich wünschte, ich hätte ihm die Trennung ersparen können, ich wünschte, ich hätte viele Dinge anders gemacht.

Habe ich nicht, konnte ich nicht.

Und wenn ich jetzt so auf meine kleine Familie schaue, dann bin ich so, wie sie heute ist, mit der Patchworksituation und den vielen Mitgliedern glücklich, auch wenn es sicher nicht immer einfach ist. Für niemanden.

Wie es in Scheidungskindern aussieht

Aber wie geht es meinem Sohn damit? Oft frage ich mich, was in „meinem Scheidungskind“ wirklich vorgeht, was macht eine Trennung mit einem Kind? Die meiste Zeit ist er der durchschnittliche 6 Jährige. Ich muss mich auch davor hüten jedes Verhalten, das mir irgendwie gegen den Strich geht, auf die Trennung zu schieben: Hey! Kinder haben gute Phasen, Kinder haben schlechte Phasen, egal ob Trennung oder nicht.

Trotzdem habe ich mich irgendwann entschieden, ihn in eine Rainbows-Gruppe zu geben, eine „Spielgruppe“ in der Kinder bei der Verarbeitung von Trennungen unterstützt werden. Und es war eine gute Entscheidung, es macht ihm viel Spaß und auch ich habe von diesen Rainbows-Gruppen profitiert. Die Eltern sind zwar nicht in diesen Gruppen dabei, damit die Kinder, alles was sie bewegt offen aussprechen können, aber man lernt als Eltern doch andere Eltern kennen, die in der gleichen Situation sind. Und das ist irgendwie eine Erleichterung.
Zu wissen, dass man nicht alleine ist, ist immer eine Erleichterung.

Bei Rainbows habe ich L. kennen gelernt. Ich mag L., sie hat auch zwei Söhne von zwei verschiedenen Vätern, so wie ich. Einer ist ein Scheidungskind, der andere nicht, genau wie bei mir. Wenn L. und ich zusammen sind, fragen wir uns oft, was in unseren Kindern vorgeht, Kinder sind so wunderbare Wesen im Großen und Ganzen nehmen sie alles als gegeben hin und versuchen das Beste aus jeder Situation zu machen und so meistern viele der Scheidungskinder die meiste Zeit das Leben so, als ob sie die Trennung ihrer Eltern nie erlebt hätten. Aber Trennungen machen etwas innen drinnen, wie bei uns Eltern ist die Trennungssituation da und alle damit verbundenen Gefühle auch: die Traurigkeit, die Angst, die Unsicherheit, die Wut und die Schuldgefühle.

Sie sitzen tief drinnen. Hin und wieder kommen sie an die Oberfläche,  vielleicht dann, wenn wieder einmal ein „ich zieh aus, ich zieh zum Papa“ durch die Wohnung  gebrüllt wird oder die Bonuseltern ein „du hast mir gar nichts zu sagen!“ aushalten müssen.  Ansonsten geht das Leben ganz normal weiter. So normal, wie es eben ist, wenn man zwei Zuhause hat und plötzlich ein paar Familienmitglieder extra.

Wie man Kindern eine Trennung erklärt: eine Geschichte

L. hat bei einer Beratung den Rat bekommen, sie soll ihrem Sohn doch helfen, indem sie ihm die neue Familiensituation mit Halbgeschwistern und was zwischen Mama und Papa passiert ist, anhand eines Bildes erklärt. Gesagt, getan. Sie schnippelte Fotos von allen Familienmitgliedern aus und klebte Fotos ihres Sohnes, von sich selbst, vom Papa, dem Bonuspapa, den Bonusgeschwistern auf ein Blatt Papier. Und fing an, wie es die Therapeutin ihr erklärt hatte:  „Schau mal Schatz, heute machen wir gemeinsam ein Bild, damit du besser verstehst, warum Mama und Papa nicht mehr zusammen sind“.

Schon beim ersten Blick auf das Bild kämpfte ihr Sohn mit den Tränen.

„Wenn zwei Erwachsene sich sehr verlieben, dann teilen sie gemeinsam ein großes Herz und wenn das Herz sehr groß ist, dann bekommen sie auch manchmal Kinder.  Mama und Papa waren einmal sehr verliebt und deshalb bist du gekommen. Unser wunderbarer Schatz. Mama und Papa haben dich immer unendlich lieb“

Schon kullerten die ersten Tränen bei beiden.

„aber manchmal ist es so, dass das Herz auch wieder kleiner wird. Das kann einfach so passieren und vielleicht verstehst du das erst, wenn du einmal selbst erwachsen bist. Und dann sind Erwachsene nicht mehr so verliebt und können dann auch nicht mehr zusammenleben. Das ist uns passiert. Aber wir werden immer deine Eltern bleiben und haben dich immer unendlich lieb. Wir sind immer für dich da und werden dich nie verlassen.“

L. hatte auch Herzen für das Bild ausgeschnitten und tauschte das große Herz beim Bild vom Papa gegen ein kleines. Dann legte sie das große Herz zum Bild vom Bonuspapa. „Und irgendwann verliebt man sich dann wieder neu.“

Noch bevor sie weitersprechen konnte, brach ihr Sohn bitterlich in Tränen aus:

„Ich will, dass der Papa bei uns wohnt – ich will, dass ER das große Herz hat“

Aus Trauer wurde Wut und ihr Sohn schrie „das große Herz MUSS beim Papa bleiben“

„Wieso kann das Herz nicht beim Papa bleiben?“

Ja wieso?

Wenn wir es nicht verstehen, wie können wir es unseren Kindern erklären? In uns drinnen herrscht nach einer Trennung Chaos. Ein Wirrwarr der Gefühle und genauso sieht es in unseren Kindern aus. Innen Chaos – ein Chaos, das wir nicht sehen können, und manchmal mehr, manchmal weniger spiegelt sich das Innere in einem äußeren Chaos wieder. Bei allen Beteiligten.

„Ich bin auch unendlich traurig, wir sind alle traurig“

Eine Trennung zu überwinden ist nicht einfach, nicht für uns Eltern, nicht für unsere Kinder. Dass sie keine Wunden davon tragen, ist nicht garantiert. Aber wir können ihnen helfen, diesen schwierigen Prozess, der oft Jahre andauert, besser zu überstehen und ihn liebevoll begleiten.

Wie wir unsere Kinder unterstützen können, eine Trennung zu verarbeiten:

  • Reden wir mit unseren Kindern. Entweder sie bekommen es es ohnehin mit und müssen wissen, was los ist oder sie waren oder sind noch sehr klein (wie mein Sohn damals) und haben später viele Fragen. Wir Erwachsenen haben uns vielleicht schon lange vor der Entscheidung mit dem Trennungsgedanken beschäftigen können, die Kinder nicht. Erklären wir es ihnen, sie haben Antworten verdient, auch wenn wir Schuldgefühle unseren Kindern gegenüber haben. Sie wollen erfahren, wie es weiter gehen wird, und wollen auch ihre Wünsche äußern, auch wenn vieles, was sie sich wünschen, leider nicht mehr möglich sein wird (Kinder wünschen sich immer, dass Mama und Papa zusammen sind)
  • Erklären wir unseren Kindern in einfachen Worten, warum wir uns getrennt haben, auch wenn sie nicht alles verstehen. Bedenken wir auch das Alter unserer Kinder. Was kann unser Kind schon verstehen? (räumliches & zeitliches Vorstellungsvermögen, versteht es schon, was Liebe, Partnerschaft etc ist?). Ganz wichtig, nennt nie “Streiten” als Grund, so bekommen sie Angst vor Auseinandersetzungen, waren sie ja der „Grund“ für die Trennung. Und wenn wir uns ehrlich sind, das Streiten ist ja auch nicht der Grund…sondern etwas, was schon vorher da war.
  • Sagen wir unseren Kindern, dass die Trennung nicht ihre Schuld ist, dass nichts, was sie tun unsere Entscheidung ändern kann.
  • Eine Veränderung nach der anderen. Muten wir unseren Kindern nicht zu viel zu. Wenn die Trennung mit einem Umzug verbunden ist, dann brauchen Kinder besonders viel Zuwendung.
  • Wir als Eltern haben in der Zeit der Trennung und noch lange danach mit unseren Gefühlen zu kämpfen, und auch wenn es nicht einfach ist, wir dürfen das Wohl unserer Kinder nicht aus den Augen verlieren. Das bedeutet: Streiten wir nicht vor unseren Kindern, denn diese negativen Gefühle erleben die Kinder selbst als Ablehnung. Versuchen wir den anderen Elternteil nicht vor den Kindern schlecht zu machen, die Kinder „auf unsere Seite“ zu ziehen, verwenden wir unsere Kinder nicht als Druckmittel und stellen sie nicht vor die Entscheidung „Mama oder Papa“, benutzen wir sie nicht als Spione, als Boten oder Partnerersatz, verwöhnen wir unsere Kindern nicht, aus reinen Schuldgefühlen.
  • Vermitteln wir unseren Kindern trotz allem eine optimistische Einstellung, geben wir ihnen Hoffnung und Zuversicht, dass wir gemeinsam diese schwierige Situation der Trennung oder Scheidung meistern werden. Zeigen wir ihnen, auch wenn die Liebe zwischen den Eltern endet, dass die Liebe zwischen Eltern und Kindern nie enden wird.
  • Haben wir Geduld mit uns selbst und unseren Kindern. Manchmal werden uns unsere Kinder ablehnen, lieber beim anderen Elternteil sein, grantig oder agressiv zu unseren neuen PartnerInnen sein oder sich nicht melden, wenn sie woanders schlafen. Versuchen wir das zu akzeptieren, wenn sie nach „Wechseln“ besonders anstrengend sind, es ist nicht leicht und kann noch lange schwierig bleiben. Versuchen wir an unseren Gefühlen zu arbeiten und unseren Kindern zu helfen, wie sie mit ihren besser umgehen können.

Werden die Kinder ihr Leben lang unter den Folgen der Scheidung leiden?

Auch ich stelle mir immer wieder diese Frage. Und jedes mal, wenn ich wieder darüber nachdenke, erinnere ich mich an einen Satz von Remo Largo aus dem Ratgeber „Glückliche Scheidungskinder“:

„Trennung und Scheidung sind für die Eltern sehr schmerzhafte Erfahrungen. Aber für das Kind muss eine Trennung keine unvermeidliche Katastrophe sein. Im besten Fall wird das Kind in seinem Wohlbefinden überhaupt nicht beeinträchtigt. Es erlebt eine Trennung nur dann als negativ, wenn es nicht mehr ausreichend betreut wird, seine Grundbedürfnisse nicht mehr wie bisher befriedigt werden, oder das Kind unter den negativen Gefühlen zwischen Eltern leidet.“

Es ist und bleibt schwierig, aber es geht.

Und das gibt Hoffnung.
Alles Liebe,

Birgit

Quellen:

Rainbowsmaterialien: „Apelle von Kindern an ihre Eltern“,
Remo Largo, Monika Czernin, Glückliche Scheidungskinder
Jesper Juul, Aus Stiefeltern werden Bonuseltern

Foto von freestocks.org

Für später pinnen:

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