Trotzanfall, was tun? Wie du selbst ruhig bleibst & dein Kind achtsam durch die Wut begleitest (plus Übung)

Trotzanfall, was tun? Wie du selbst ruhig bleibst & dein Kind achtsam durch die Wut begleitest (plus Übung) - Kindererziehung - Trotzphase Kleinkind - Fräulein im Glück der achtsame Mamablog

Es gab Zeiten da hatte ich vor “Trotzanfällen” und Wutausbrüchen meiner Kinder Panik. Ich war dieser Gefühlsgewalt einfach nicht gewachsen.

Es gab einmal eine Situation mit meinem älteren Sohn, der damals vielleicht 2 Jahre alt war: Wir waren mit dem Hund im Wald spazieren. Es war ziemlich heiß und wir waren spät dran und langsam wurden wir alle müde. Mitten im Wald, irgendwo im nirgendwo, kilometerweit keine Öffis, beschloss mein Sohn aus dem Kinderwagen auszusteigen. Aber er wollte weder gehen noch getragen werden, er wollte einfach nicht mehr weiter. Irgendwann fing er an zu brüllen. Er weinte und schrie, schmiss sich wütend auf den Waldboden. Wie sollten wir es jemals nach Hause schaffen? Ich weiß noch, dass ich an dem Tag selbst alle Gefühlszustände durchgemacht habe: Wut, Trauer, Verzweiflung. Es war ein Albtraum, der eine gefühlte Ewigkeit dauerte und ich absolut hilflos.

Trotzanfälle, wenn das Gehirn abschaltet

Jetzt noch ein Kind und ganz viele Achtsamkeitsübungen später, weiß ich, dass mein “Problem” mit den “Trotzanfällen” war, dass ich unter allen Umständen versucht habe, sie zu beenden und ich dabei oft ein Verhalten an den Tag gelegt habe, dass die Situation noch weiter verschlimmert hat. Ich habe von meinem Kind erwartet, dass es schafft, sein in meinen Augen irrationales Verhalten aus eigener Kraft einzustellen und habe dabei übersehen, dass es einfach überwältigt war. Sein Schreien und Toben eigentlich nur der Versuch mir mitzuteilen, dass es nicht mehr weiter weiß. Anstatt angemessen zu reagieren, war ich irgendwann mitgefangen in der Fülle von Emotionen.

Was tun bei einem Trotzanfall: Ruhig bleiben und beide Gehirnhälften benutzen

Das was wir als “Trotzanfall” sehen, ist eigentlich eine Situation in der Kinder mit ihren Gefühlen überfordert sind. Kleine Kinder haben das öfter als größere oder als Erwachsene, da ihr Gehirn einfach noch nicht so weit ist. Sie müssen noch entsprechende Fertigkeiten entwickeln und lernen mit ihren Gefühlen umzugehen. Ein Teil des Gehirns, nämlich der, der für die Logik zuständig ist, schaltet sich bei einem sogenannten “Trotzanfall”, einfach ab und die rechte Gehirnhälfte, die impulsiv und emotional ist, übernimmt die Kontrolle. Das kann übrigens uns Erwachsenen bei einer geballten Emotionslawine auch noch passieren. (Wie das genau funktioniert kannst du hier nachlesen)

Damit das Gehirn unserer Kinder in so stressigen Situationen wieder vollständig arbeiten kann, also so, dass wieder beide Gehirnhälften gleichermaßen aktiv und miteinander verbunden sind*, sich also die “abgeschalteten” Teile wieder anschalten, muss sich das Kind erst einmal beruhigen. Aber das kann nur funktionieren, indem wir ihm dabei helfen.

Einfühlsam Kontakt aufnehmen trotz Wutausbruch

So schwer es ist, das können wir nur tun, indem wir mit unserem Kind einfühlsam Kontakt aufnehmen. Wir sprechen sozusagen seine rechte, ausgesprochen wütende Gehirnhälfte an und versuchen auf seine emotionalen Bedürfnisse einzugehen. Das geschieht am Besten dadurch, dass wir seine Gefühle ernst nehmen und anerkennen, sicher nicht mit einem „jetzt führ dich nicht so auf“. Einfacher wird es, wenn wir versuchen durch die Augen unseres Kindes zu sehen, sein Verhalten nicht persönlich zu nehmen. Sprechen wir es mit einem einfühlsamen Gesichtsausdruck und einer angenehme Stimme an und dann können wir versuchen seine Gefühle widerzuspiegeln. Gelingt es uns, dass sich unsere Kinder in ihren Gefühlen verstanden fühlen, gelingt es uns, dass sie fühlen, dass wir ihre Gefühle nachempfinden können, dann kann sich das kindliche Gehirn wieder beruhigen und wir können versuchen auch wieder die linke Gehirnhälfte mit logischen Argumenten anzusprechen. “Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten” hat dazu wirklich einen sehr guten Artikel geschrieben, der beschreibt, wie man genau vorgehen kann.

Selbst ruhig bleiben, wie gelingt das?

Jetzt ist es aber nicht so einfach, angesichts eines tobenden Kleinkinds oder auch schon wütender älterer Kinder, ruhig zu bleiben. Jede/r weiß, wie solche Gefühlsgewalten einen an den Rand des Wahnsinns treiben. Wie verhindern wir es also, dass wir selbst nur noch mit der rechten Gehirnhälfte funktionieren? Denn dann ist an einfühlsames Ansprechen sicher nicht mehr zu denken.

  1. Die schlechte Nachricht, es geht nicht sofort von selbst, man muss es üben, am Besten in ruhigen Momenten. Dazu habe ich schon hier geschrieben.
  2. Hilfreich ist es auch, wenn wir unsere Reaktionen beobachten
. Was passiert mit uns, wenn unsere Kinder loslegen? Werden wir selbst wütend? Denken wir „Bitte nicht schon wieder?“ Versuchen wir es mit zuviel Logik oder reagieren wir zu emotional?
  3. Was hält uns davon ab, einfühlsam zu reagieren? Sind wir müde, stehen gefühlt 20 Leute um einen herum, die finden, dass wir uns das von unserem Kind nicht gefallen lassen sollten? Versuchen wir all das zu erkennen und auch anzuerkennen. Denn damit man es schafft, nicht die typischen meist sinnlosen Verhaltensweisen in Gang zu setzen, ist es wichtig zu wissen, wie man selbst reagiert und was einen zur Reaktion bewegt. Erst dann kann man sein eigenes Verhalten auch verändern.
  4. Der letzte aus meiner Sicht wichtigste Punkte ist: Nicht mehr gegen Gefühle ankämpfen, sondern lernen sie zu akzeptieren.

    Nicht mehr dagegen ankämpfen und positiv abschließen

Je öfter man es schafft einen Trotzanfall einfühlsam aufzulösen, desto selbstsicherer wird man und desto besser wird es funktionieren. Trotzdem wird es immer noch Situationen geben, in denen gar nichts mehr hilft und dann warte ich einfach nur ab, bis die Gefühlstürme (meine und die der Kinder) vorbei sind und versuche dann, den Wutausbruch für uns alle zu einem positiven Abschluss zu bringen und meinen Kindern (und mir) mitzugeben, dass unsere Gefühle so in Ordnung sind, wie sie sind. Und dafür haben wir diese Übung:

Gefühle sind wie das Wetter – ein persönlicher Wetterbericht

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Wenn also die mieseste Stimmung vorüber ist, vielleicht noch ein paar Schluchzer da sind, nur noch wenige wütende Stirnfalten, dann schlage ich meinen Kindern vor, dass wir unseren persönlichen Wetterbericht zeichnen** (klappt ab ca. 2,5 Jahren). Alleine, dass wir gemeinsam etwas machen und keiner mehr dem anderen lange böse ist, verbessert die Stimmung nach anstrengenden Wutanfällen sehr und entspannt uns alle.

Als erstes erkläre ich immer, was das Wetter mit unseren Gefühlen zu tun hat, zum Beispiel so:

„Gefühle sind wie das Wetter, oft scheint die Sonne, dann geht es uns gut und wir sind fröhlich, dann ziehen vielleicht einige Wolken vorbei und wir fühlen uns nicht mehr ganz so gut, der Regen macht uns traurig und bei Gewitter sind wir so richtig wütend. Aber das Wetter ist eben so wie es ist, wir können es nicht verändern, wir brauchen es sogar so, denn schließlich kann alles nur wachsen, wenn es Sonne UND Regen gibt.“

Genauso wie das Wetter in Ordnung ist, so wie es ist, so sind es auch unsere Gefühle.

Dann schlage ich vor, dass wir alle in uns hineinhorchen und herausfinden, wie das Wetter in uns drinnen gerade so ist. Bist du noch wütend oder scheint vielleicht schon wieder ein bisschen die Sonne? Schau einfach freundlich in dich hinein, du brauchst nichts an deinen Gefühlen zu ändern, lass sie einfach so. Das Wetter draußen kannst du ja auch nicht ändern.

Dann fangen wir an das Wetter zu zeichnen. Der Kleine zeichnet praktisch immer eine Sonne :-), der Große zeichnet nach einem Wutanfall meistens ein Gewitter, manchmal sogar mit riesengroßen Hagelkörnern, aber am Ende malt er fast immer schon eine kleine Sonne dazu 😉

Später, wenn sich die Wogen ganz geglättet haben, schauen wir die Bilder noch einmal an und vergleichen, ob das Wetter vielleicht jetzt schon ganz anders ist.

Und was soll ich sagen, nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein 😉

Du bist der Himmel. Alles andere ist nur das Wetter – Pema Chödrön

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*Buchempfehlung dazu: Daniel Siegel, Achtsame Kommunikation mit Kindern

** aus Stillsitzen wie ein Frosch von Eline Snel