Raus aus den Schubladen

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Ich mache gerade einen MBSR* -Kurs, quasi ein Anti-Stressprogramm. Es geht mal wieder um Achtsamkeit. Ich habe es nötig. Zwei kleine Kinder bedeuten Stress. Inzwischen nicht mehr ganz so viel Stress wie am Anfang, aber in den „zuviel-für-eine-einzelne-Person“-Zeiten habe ich mir Verhaltensmuster angelernt, die ich auch jetzt noch täglich abrufe und die möchte ich ablegen.

Zum Beispiel die „Sofort-Erpressung“. Ich warte gar nicht mehr ab, ich erpresse meine Kinder sofort. Sogar schon den Kleinen. „Willst du jemals wieder Süßes?“ „Dann Zähneputzen!“ Dazu setze ich die entsprechende Miene auf. Schon während ich es sage, gehe ich mir selbst auf die Nerven. Da hab ich es aber schon gesagt. Automatisch. Noch mehr geh ich mir auf die Nerven, wenn ich dann den Großen sagen höre: Wenn du mir das Auto nicht sofort gibst, darfst du nicht auf meinen Geburtstag.

Von wem hat er das wohl?

Das nervt mich.

Am meisten nervt mich aber, dass ich in letzter Zeit von meinen Kindern immer gleich das Schlechteste annehme.

Ich will in die Dusche steigen. Nur 5 Minuten Ruhe, Stille, Frieden.

Ein Knall, ein Schepperer oder ein Schrei. Der Kleine heult.

Innere Stimme: „Nicht schon WIEDER“

Ich brause raus. Blick sofort auf den Großen.

„Was hast DU schon WIEDER gemacht?“

Der (schockerstarrt): GAR NICHTS! (in dem Fall hats gestimmt)

Anderes Szenario: der Glücksmann ruft mich. „Schau dir mal an, was der Zwerg da macht“

Ich sehe den Kleinen in meinem neuen (alten) 60er-Jahre-Regal sitzen.

Ich: „Weg vom Kastl bitte, sonst geht das WIEDER kaputt“

„Eigentlich wollte ich dir sagen, dass du zuschauen sollst, was er da Nettes spielt.“

Eigentlich.

Alles muss sofort in eine Schublade.

Wir haben die Neigung alles einzuteilen, sofort zu kategorisieren. Das läuft automatisch ab und ist manchmal ganz nützlich: Tier mit großen Zähnen = schlecht. Baum mit reifen Früchten = gut.

Aber macht es Sinn das Verhalten unserer Kinder dauernd in gut oder schlecht zu unterteilen? In ein uns angenehmes und unangenehmes Verhalten?

Achtsamkeit schafft Pausen

Ich brauche eine Pause. Von gut ODER schlecht. Ich brauche eine Pause bevor ich meine Gedanken, mein Verhalten, meine Kinder in der Lade für gut oder schlecht ablege.

Ich möchte jeden einzelnen Moment sehen wie er wirklich ist. Und nicht schon vorher wissen, dass es eh schon WIEDER SO ist.

Sonst sind die Kinder schnell als ganzes in einer Schublade drinnen. Da steht dann „gut“ drauf oder „schlecht“ oder „nervig“ oder „brav“.

Aus den Schubladen kommt man schlecht wieder raus.

Ich sitze gerade in einer mit der Aufschrift: „ewige Nörgeltante“.

Da will ich raus, ich will wieder offen sein.

Dann kann ich meine Kinder vielleicht auch wieder so sehen, wie sie wirklich sind.

Alles Liebe,

Birgit

PS

In der ersten Woche gab es im Kurs die Aufgabe, darauf zu achten, wie man alles in Angenehmes und Unangenehmes einteilt. Habt ihr auf das schon einmal geachtet? Wie geht es euch damit?

 

*Mindfulness-Based Stress Reduction heißt soviel wie Stressbewältigung durch Achtsamkeit