Adventskalender – Türchen 14: Was ein gutes Geschenk wirklich ausmacht

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Bild_Christiane_BenIch bin so froh, dass ich auf Christiane und Ben gestoßen bin. Mit ihrem Projekt „Ein Jahr ohne Zeug“ fordern sie Menschen heraus, ein Jahr lang keine Gebrauchsgüter zu kaufen. Keine Kleidung, keine Möbel, keine Elektronik. So wollen sie auf die verheerenden ökologischen und sozialen Konsequenzen unseres Konsums aufmerksam machen. Ihre Facebook-Seite ist für mich eine unerschöpfliche Quelle an neuen Artikeln, Beiträgen, Videos zu diesem Thema und ich freue mich sehr, dass sie das heutige Türchen gefüllt haben.

Danke Christiane & Ben!

Was ein gutes Geschenk wirklich ausmacht

Eigentlich sollte dies ein sehr sachlicher Kommentar zum Sinn des Schenkens werden. Ein sarkastischer Unterton hätte sicherlich durchgefärbt. Den können wir uns vom „Jahr ohne Zeug“ immer seltener Verkneifen. Kein Wunder angesichts des Verbrauchs von 2,5 Erden, maßloser Müllberge und des Ansammelns kaum genutzter und unnützer Dinge. Kein Wunder auch angesichts der Ressourcenausbeutung im globalen Süden und angesichts unwürdiger und gesundheitsschädigender Arbeitsbedingungen dort und hier*. Kein Wunder angesichts von Gütern, die durch die halbe Welt gekarrt werden, von 6000 Werbebotschaften pro Tag, von geplanter Obsoleszenz, von weniger Kreativität und weniger Zeit durch immer mehr Zeug. Und das alles wegen eines Wirtschaftssystems, das davon nicht genug bekommen kann und will, dass wir kaufen kaufen kaufen.

Eigentlich sollte dieser Kommentar voller Zahlen sein, wie „15 Mrd. Euro“ (GfK-Prognose Weihnachtsgeschenke-Käufe 2014), „285 Euro“ (Durchschnittsgeschenkausgaben des Bundesbürgers), „1,9 Mrd. Euro“ (Anteil der Textilkäufe am Weihnachtsgeschäft).
Und eigentlich sollte das dann auseinandergenommen werden. (1,9 Mrd. Euro ausschließlich Ausgaben für Nicht-mit-leeren-Händen-dastehen… Sätze, die man Weihnachten nie hört: „Toll, Socken, da hast Du Dir ja richtig Gedanken gemacht und Zeit investiert!“ / „Toll, Handtücher, wie kreativ!.“ / „Toll, der Pulli ist genau mein Geschmack / meine Größe / meine Farbe.“)

Aber Kerzenlicht, Weihnachtsplätzchenduft und vielleicht auch mit absoluter Sicherheit vor allem der Glühwein stimmen uns ganz geschichtenerzählerisch und lassen nüchterne Ansprachen etwas fehl am Platz erscheinen. Daher also eine kleine Weihnachtsgeschichte zum Sinn des Schenkens. Und zwar vom letzten Jahr.

Für die meisten, die es kennen und mitspielen, hat das Jahr ohne Zeug am 1.1.2014 angefangen. Für mich (Christiane) und Ben allerdings ein Jahr eher. Erst nachdem wir 11 Monate nichts gekauft hatten, luden wir andere Menschen zum Mitmachen ein. So stand nun Weihnachten 2013 vor der Tür und wie immer fragten meine Eltern, was ich mir denn wünschen würde. Also jetzt nicht Geld für Reisen, Konzerte oder einfach nur den Lebensunterhalt, sondern vielmehr welche Wünsche ich denn hätte, die man auch tatsächlich unter den Weihnachtsbaum legen könnte. „Etwas“ unter dem Weihnachtsbaum ist wichtig. Die strahlenden Kinderaugen vor 20 Jahren beim Anblick der Geschenke scheinen sich eingebrannt zu haben („kurz nach dem Fall der Mauer“ könnte auch reinspielen). Normalerweise ist meine Antwort „keine“ und normalerweise liegt dann trotzdem „etwas“ da. Und normalerweise ist dann weder der Schenkende, noch der Beschenkte sehr glücklich mit der ganzen Situation. Denn häufig handelt es sich ja eben um die oben aufgezählten Geschenke.
Kurz vor Weihnachten 2013 wurde allerdings mein Fahrrad gestohlen. Ich fragte also, ob es nicht möglich wäre, mir ein altes Fahrrad vom Dachboden meiner Großeltern zu holen. Man würde mal schauen, ob da noch eines wäre, war die Antwort.
Am Heiligabend geht also nach großer Heimlichkeit die Wohnzimmertür auf und im Glanz des Baumes leuchtet … eine Haarbürste! Eine verdammte Haarbürste! Ich hatte doch aber bereits eine Haarbürste! Und meine recht radikal „antizeugische“ Einstellung war doch auch durchaus bekannt. „Naja, wir dachten, Du könntest mal eine Neue gebrauchen, ist ja auch doof, so gar nichts unter’m Baum.“ „Und habt Ihr mal wegen eines Fahrrads gefragt?“ „Das können wir übermorgen machen, dann sind wir sowieso bei den Großeltern.“ Ich wischte mir die Enttäuschung und den you-had-one-job-Ausdruck aus dem Gesicht, dachte mir, gut, auch in Ordnung, hielt einen kurzen wahrscheinlich sehr langen Vortrag über Ressourcenübernutzung und alle weiteren, oben angesprochenen Konsumprobleme (die sich ganz klar in der Haarbürste manifestierten!), wir gingen zum Essen über und der Abend wurde sehr schön.
Zwei Tage später, als der ganze „Zwischenfall“ schon vergessen war, stehen wir auf der Türschwelle meiner Großeltern. Ich frage, ob ich gleich mal auf den Dachboden gehen kann, wegen des Fahrrads. Nein nein, erst mal reinkommen… der Kaffee! Der Kuchen! Und überhaupt gehe die Wärme raus, wenn wir noch weiter in der Tür stehen… Im Wohnzimmer angekommen springe ich geschockt nach hinten und schreie kurz. Das schönste Fahrrad der Welt funkelt mich an. Baujahr um 1960. Das, mit dem meine Oma die alte Baggerfahrerin immer zur Kiesschütte gefahren ist. In mühevoller Kleinarbeit auseinandergenommen, repariert, entrostet, den Rahmen dunkelgrün lackiert, Schutzbleche und Lenker weiß pulverbeschichtet, die alte Lampe mit LEDs aufgewertet, die Satteltasche meines Kinderfahrrads in drei Dörfern gesucht, gefunden und anmontiert. Und zu guter Letzt: das good:matters-Logo angebracht („Ist ein Firmenfahrzeug“). Demut und Liebe schwappten über, alle Dämme brachen. Aber nicht wegen des Gegenstands an sich, sondern wegen der Längen, die dafür gegangen wurden – wegen der Zeit, Kreativität, Hingabe, Teamarbeit, Geschichte und der vielen Gedanken die drin stecken. Wegen genau jener Sachen, die Geschenke wirklich ausmachen. Jener Sachen, die dadurch auch für den Schenkenden ein Geschenk bedeuten – im Gegensatz zu einem gehetzten Last-Minute-Kauf in der überfüllten Shopping-Mall.

Nun mag viel davon so kurz vor Weihnachten einfach nicht realisierbar sein – zu viel zu tun, zwei linke Hände, Ideenblockade, die Gründe sind bekannt. Doch statt zu Handtüchern, Socken, Pullis, Elektronikspielereien oder anderen zweifelhaften Dingen zu greifen, die keinen persönlichen Bezug haben, dafür aber mit einer ganzen Reihe Konsumproblemen bestückt sind, kann man es auch mal mit einem Zeitgeschenk versuchen. Geteilte Zeit, zum Beispiel durch gemeinsame Ausflüge, Theater- oder Kinobesuche oder einfach nur ein leckeres Abendessen. Geschenkte Zeit für Andere, zum Beispiel indem man die Eltern ins Konzert schickt und die Kinder einen Abend lang übernimmt. Das schafft nicht nur Vorfreude und Erinnerungen, sondern schont auch den Planeten. Und zu guter Letzt: Zeit ist auch super, wenn jemand beschenkt werden muss, den man gar nicht mag (und den/die hat jeder in der Familie!). Ihn/sie schickt man dann einfach mit Anderen ins Theater 🙂

Einen schönen Advent! Nehmt Euch Zeit!

 

*Weihnachten ohne Amazon!