Wie du es schaffst, dass deine Kinder alles liebend gerne probieren {achtsam essen für Kinder}

Rosinen sind bähh oder doch nicht?

„Pfui“, „Wähhhäää“, „Igitt“, das sind die Kommentare, die mein 5-Jähriger Sohn zu etwa 99 Prozent der Nahrung abgibt, die ich ihm vorsetze. Das, was er gerne isst, kann ich an einer Hand abzählen und wenn es hoch kommt, entspricht eines davon meinen Vorstellungen was Kinder essen sollten.

Mit 5 Jahren ist seine Meinung festgefahren. Alles ist grauslich, was nicht aussieht, riecht und schmeckt wie ein Schnitzel.

Und er treibt mich nicht selten zur Verzweiflung damit. Er muss das Essen doch wenigstens probieren. Verdammt noch mal, das schmeckt doch gut!
Noch verzweifelter bin ich, wenn er mit seinen Würge-Kommentaren auch den Kleinen ansteckt, der eigentlich so gut wie alles isst. Dann sitze ich da, vor meinem hausgemachten super gesunden und super leckerem Eintopf und lausche dem „Wääähhäää“-Konzert der beiden Kinder.

Wenn plötzlich wieder alles interessant wird: achtsam essen mit Kindern

Seitdem ich einen Achtsamkeits-/Meditationskurs (MBSR-Kurs) gemacht habe (übrigens hier – ich kann gar nicht genug Werbung dafür machen), sehe ich auch unsere Familienessen anders. So wie wir alles in unseren Leben in gut oder schlecht einteilen, so tun wir das auch beim Essen und das machen schon die Kleinsten. Die Lieblingsspeise wird verschlungen, anderes kategorisch abgelehnt, noch bevor es einmal probiert wurde.

Und auch wenn wir das als Erwachsene nicht so streng betreiben, so nehmen wir uns doch selten Zeit, unser Essen wirklich zu kosten, schmecken und zu genießen.

Eine der ersten Übungen des MBSR-Kurses war das achtsame essen. Wir haben das mit einer Rosine gemacht. Und es war ein beeindruckendes und sehr sinnliches Erlebnis (ja, genau, fast wie Sex nur eben Rosinenessen ;-)). Klingt komisch, aber ist so.

Wann essen wir wirklich? Ich meine damit, wann machen wir nichts anderes als ausschließlich essen. So gut wie nie. Meistens schieben wir uns unser Essen zwischendurch mal eben rein, am Computer, beim Fernsehen oder unterwegs und wenn nicht, dann plaudern wir, lesen was oder denken halt an das, was wir gleich nach dem Essen tun werden. Wir essen so gut wie nie ganz bewusst.

Achtsamkeitsübungen und Meditation machen schon für Kinder Sinn, sie lernen unter andrem besser mit schwierigen Emotionen umzugehen, lernen sich besser zu konzentrieren und fangen an mehr Mitgefühl für andere zu zeigen (interessant dazu diese Arte-Dokumentation). Außerdem hilft es auch meiner Praxis weiter, wenn ich meine Kinder mit einbinde. Ich versuche also Meditationsübungen oder Achtsamkeitsübungen für zwischendurch für meine Kinder bzw. mit meinen Kindern gemeinsam zu machen. Und da die erste Übung, die ich selbst versucht habe, die Rosinen-Übung war, habe ich das auch mit meinen Kindern (5 und 2 Jahre) versucht.

Achtsamkeitsübung für Kinder: Rosinenessen

Wir haben uns gemeinsam auf den Boden gesetzt und jeder hat eine Rosine in die Hand bekommen (nicht gleich in den Mund stecken!). Im Buch „Stillsitzen wie ein Frosch“ gibt es eine ähnliche Übung, die damit beginnt, dass sich die Kinder vorstellen sollen, dass sie Marsmenschen sind und Rosinen nicht kennen. Genauso habe ich begonnen und das fanden sie natürlich sehr lustig. Sie sollten das Wort Rosine nicht sagen (es entsteht ja gleich ein vorgefasstes Bild im Kopf), sie kennen das Wort ja nicht, sind sie doch Marsmenschen 🙂

Stattdessen sollen sie mir beschreiben, was sie sehen.

Und sie haben losgelegt: Das Ding ist braun, runzelig, klein, weich.

Wie riecht es? „nach Erde“

Wie fühlt es sich an?: „wie gummi“

Halte es einmal zum Ohr und drücke es ein bisschen, macht es ein Geräusch? „Ja, es piepst“ (?!?)

So jetzt dürft ihr es in den Mund nehmen, aber noch nicht zerbeißen:

Was passiert bei euch im Mund? „Ich will es essen“

Spürst du auch den Speichel mehr werden? „Ja – ganz viel“

Wie fühlt sich die Rosine im Mund an? „Rau und schmeckt nach nichts“ und

wenn du hineinbeißt?

„Süüüüüüßßßß“

Noch nicht hinunterschlucken, was spürt ihr jetzt? Und wenn ihr die Rosine hinunterschluckt, wie lange könnt ihr sie noch spüren, wie fühlt sich euer Mund jetzt an?

„Ich will noch mehr Rosinen!“

Das war für mich der absolut verblüffendste Moment (neben dem, dass Rosinen piepsen) denn der Große hasst Rosinen.

Inzwischen „üben“ wir mit allerhand Nahrungsmitteln: Käse, Oliven, Brot, Rucola, die Kinder kosten alles, egal ob süß, sauer, salzig oder bitter, es gibt keine Zweifel, alles wird gerne in den Mund gesteckt. Sie schmecken alles bewusst und es macht allen viel Spaß, eigentlich ist es gar keine „echte“ Übung. Der Kleine kann natürlich noch nicht in dem Umfang alles beschreiben, aber auch er ist auf seine Weise mit Feuereifer dabei.

Während wir dieses „Spiel“ spielen, üben wir achtsam zu sein so ganz nebenbei. Wir alle sind so richtig anwesend. Genau jetzt, ganz bei der Sache.

Achtsamkeit: Üben oder Alltag?

Inzwischen dehne ich auch hin und wieder diese Übung auf unser Familienessen aus. Warum extra üben, wenn so viele Gelegenheiten im Alltag da sind, um achtsam zu sein?

Wenn vom Großen mal wieder etwas kategorisch abgelehnt wird, bitte ich die Kinder wieder Marsmensch zu spielen. Vor allem der Große soll das Essen bitte probieren und mir beschreiben, was er schmeckt. Zwar wirkt es keine Wunder, Gehasstes wurde noch zu keiner Lieblingsspeise, aber immerhin probiert er das Essen ohne Zwang und testet dabei wirklich, ob es ihm schmeckt oder eben nicht und ist nicht von seiner vorgefassten Meinung ausgebremst.

Und seit Neuestem muss ich sogar schon zwei Hände nehmen, um seine Lieblingsspeisen aufzuzählen.

Alles Liebe,

Birgit

 

Kein "Igitt" mehr, kein "das probiere ich nicht" - wie deine Kinder jedes Essen liebend gerne probieren. Mit Achtsamkeitsübung für Kinder